Tourismusbranche: Massiver Wandel
Alois Rainer, Obmann der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der WK Tirol, nimmt im Gespräch mit der Tiroler Wirtschaft zu den Auswirkungen des Fachkräftemangels auf die Branche Stellung.
Das Innsbrucker Beratungsunternehmen Business Beat stellt in seiner jüngsten Analyse die Frage, ob der Fachkräftemangel das gute Image Österreichs als Urlaubsziel gefährdet. Tut er das Ihrer Meinung nach?
Alois Rainer: Ein qualitativ hochwertiger Tourismus wofür Österreich, ganz besonders aber Tirol, national und international bekannt ist, ist ein mitarbeiterintensives Dienstleistungsprodukt. Betriebe kommen teils tatsächlich in die prekäre Lage, dass nicht mehr das volle Dienstleistungspaket angeboten werden kann beziehungsweise dass Ruhe- und Schließtage erheblich zugenommen haben. Auch die Beschäftigung von ungelernten und sprachlich weniger versierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefährdet den hohen Qualitätsanspruch, welchen die Branche an sich selbst, besonders aber ein Gast an seinen Urlaubsaufenthalt, stellt. Insofern ist das natürlich eine nicht ungefährliche Entwicklung auch für den touristischen Standort.
Ist es quasi eine verflixte Situation, dass Berichte über Tourismusunternehmen oder Gastronomiebetriebe wegen der Öffnungszeiten und den reduzierten Services hauptsächlich negativ punziert sind? Wie kann dieser Teufelskreis in den Unternehmen aber auch in der Öffentlichkeit durchbrochen werden?
Die öffentliche Kommunikation konzentriert sich meist auf die Einschränkungen der Dienstleistung. Im Regelfall haben unsere Gäste aber mit keinen großen Einschränkungen zu rechnen. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wie auch den Gastgeber:innen verschaffen Schließtage aber beispielsweise auch Gelegenheit auf notwendige Erholungsphasen und damit wieder Leistungsfähigkeit und Motivation für eine gelebte Gastfreundschaft.
„Betrachten wir die demographische Entwicklung und den allgemeinen Arbeitskräftemangel über so ziemlich alle Branchen hinweg, stehen wir natürlich in einem intensiven Wettbewerb um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier muss sich jeder Betrieb überlegen, wie er auf diesem Mitarbeitermarkt punkten und bestehen kann.“
Die Auswirkungen des Arbeitskräfte-mangels bekommen Gäste wie Einheimische längst zu spüren – etwa, weil Lokale weniger lange oder weniger oft geöffnet haben als vor der Corona-Pandemie. Sie haben diese Entwicklung – im Angesicht der Zwänge – schon länger vorausgesagt. Ist Ihrer Meinung nach das Ende dieser Abwärtsspirale im Angebot erreicht oder befürchten Sie noch Schlimmeres?
Wir müssen jetzt die Kirche schon auch im Dorf lassen und das gastronomisch-touristische Angebot jetzt nicht mehr als kaum noch existent darstellen. Betrachten wir die demographische Entwicklung und den allgemeinen Arbeitskräftemangel über so ziemlich alle Branchen hinweg, stehen wir natürlich in einem intensiven Wettbewerb um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier muss sich jeder Betrieb überlegen wie er auf diesem Mitarbeitermarkt punkten und bestehen kann. Betriebliche Maßnahmen dazu sind
vielfältig.
Es gibt genügend Betriebe, die keine oder kaum Personalprobleme haben und neben den Bedingungen der Hardware – also Gehälter, Urlaubsplanung, Flexibilität, etc. – spielt die Software eine große Rolle. Welchen Wandel beobachten Sie diesbezüglich in den Köpfen und im Handeln der Tiroler Tourismusunternehmer:innen?
Wie gerade angesprochen gibt es viele Handlungsmöglichkeiten in der Arbeitsplatzattraktivierung der Betriebe. Ich beobachte einen massiven Wandel der Branche in den letzten Jahren hin zu hochflexiblen Arbeitszeitmodellen, einem sehr guten Lohnniveau und der in der Vergangenheit – oft zu Recht – kritisierten Planbarkeit. Ich sehe aber auch einen starken Trend in Richtung vitaler Mitarbeiterverpflegung, herausragenden Mitarbeiterunterkünften, Angebote rund um berufliche und persönliche Aus- und Weiterbildung sowie Maßnahmen zur persönlichen Ausgewogenheit wie Fitness & Co.
Wie beschreiben Sie bezüglich der „großen Mitarbeiter:innen-Suche“ vieler heimischer Tourismusbetriebe den Status quo und wie „die potenziellen Lagen“ in der Wintersaison 2023/24?
Vor der Saison ist nach der Saison. Von ganz alleine kommen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nirgendwo. Aktives Recruiting und ein Hervorheben, was mich von meinen Mitbewerbern abhebt, ist Gebot der Stunde. Das effektivste Recruitinginstrument sind dabei die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter selbst welche Werbung für ihre Betriebe als Arbeitgeber im Freundes- und Bekanntenkreis machen. Deshalb gilt es Arbeitsplätze im Gesamtpaket attraktiv zu gestalten und sich so auf dem heiß umkämpften Mitarbeitermarkt zu positionieren.


Das Tiroler Beratungsunternehmen Business Beat hat die aktuellen Stellenausschreibungen der heimischen Tourismusbranche analysiert und starke Veränderungen festgestellt. CEO Andreas Hermann sagt: „Wenn der Sinn in einer Tätigkeit fehlt, geht die Jobzufriedenheit und damit die Motivation in den Keller. Da hilft auch kein Obstkorb.“
Ende Juli 2023 unternahm das Tiroler SaaS-Unternehmen Business Beat einen Lokalaugenschein in einer der beliebtesten Urlaubsregionen der Österreicher:innen. Nach Rückfragen mit dem örtlichen Tourismusbüro waren fast alle Betten belegt und die Stimmung der Touristiker:innen offiziell sehr gut. Doch nicht alle Gäste waren mit der Situation zufrieden. Einige Häuser mussten zuletzt schließen, die vergangenen Monate haben ihre Spuren hinterlassen. In einigen Lokalen war das Bestellen aufgrund von sprachlichen Barrieren schwer. „Wir haben den großen Teil unserer Mitarbeiter:innen in der Corona-Zeit verloren und müssen diese jetzt in Ungarn oder Rumänien rekrutieren. Das führt natürlich zu Schwierigkeiten, manchmal müssen wir ‚Stille Post‘ spielen, um mit unserem Team zu kommunizieren. Aber was ist die Alternative? Für uns wäre es nur zusperren und das wollen wir sicher nicht“, hieß es – hinter vorgehaltener Hand – aus einem Unternehmen.
Für Andreas Hermann vom Tiroler SaaS-Unternehmen Business Beat ist das keine Überraschung: „Wir predigen seit vielen Jahren, dass man auf seine Mitarbeiter:innen hören und achten muss. Viele Unternehmen ringen seit längerer Zeit mit sehr turbulenten Verwerfungen. Unsichere Zeiten, wie wir sie gerade erleben, erfordern von Unternehmen ihren Mitarbeiter:innen mehr Sicherheit zu vermitteln.“
Eine Analyse der aktuellen Stellenausschreibungen zeigte, dass plötzlich Arbeitsbedingungen, wie sie aus anderen Branchen bekannt sind, auch im Tourismus und der Gastronomie möglich wurden. Beispielsweise die Vier-Tage-Woche oder entsprechende Bezahlung und Benefits, wie die Benutzung des hoteleigenen Fitnessstudios.
Oft reichen Kleinigkeiten
„Geht es unseren Mitarbeiter:innen gut, geht es auch unseren Gästen gut. Man benötigt ein Ohr für sein Team, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können. Wir machen beispielsweise seit längerer Zeit regelmäßige Pulsbefragungen und konnten damit die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung langfristig steigern. So konnten wir auch die Arbeitgebermarke stärken“, sagt Katharina Pirktl, Geschäftsführerin des Alpenresorts Schwarz, über den Effekt von HR-Tools, auf die sich Business Beat spezialisiert hat.
Laut CEO Hermann ist es wichtig, dass Arbeitnehmer:innen den Sinn hinter ihrer Arbeit sehen, dass sie in einem guten Team integriert sind und von motivierten und engagierten Führungskräften geführt werden. Klassische Benefits, wie man sie in Jobbeschreibungen liest, spielen für ihn allerdings eine sehr untergeordnete Rolle.
„Haben Sie schon mal gefragt: Ist mein Job sinnvoll oder was mache ich Tag für Tag an meinem Arbeitsplatz? Wenn der Sinn in einer Tätigkeit fehlt, geht die Jobzufriedenheit und damit die Motivation in den Keller. Da hilft auch kein Obstkorb“, so Hermann, der auch festhält: „Wann wurden Sie das letzte Mal richtig gelobt oder hatten das Gefühl richtig wahrgenommen zu werden? Oft reichen Kleinigkeiten in der Mitarbeiterführung um für einen Boost bei der Motivation zu sorgen“, erklärt Hermann.
Weiter Infos: www.business-beat.com