WK-Präsident Christoph Walser
WK-Präsident Christoph Walser
Interview

„Entlastet endlich längeres Arbeiten und Überstunden!“

WK-Präsident Christoph Walser fordert Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel. Attraktivere Bedingungen für längeres Arbeiten und Steuererleichterungen für Überstunden würden sofort wirken.
WK-Präsident Christoph Walser fordert beim Arbeitskräftemangel Maßnahmen.
© Gerhard Berger

WK-Präsident Christoph Walser erklärt, wie es den heimischen Betrieben geht, wo die größten Herausforderungen liegen, was die Politik jetzt tun muss und welche Zukunftschancen es zu nutzen gilt.

wirtschaft.tirol: Herr Präsident, wie geht es den Tiroler Betrieben aktuell?

WK-Präsident Christoph Walser: Unser WK-Konjunkturbarometer zeigt, dass die Tiroler Firmen mit gebremstem Wachstum bei gleichzeitig hoher Inflation kämpfen, speziell im Bausektor. Die aktuellsten WIFO-Daten gehen in dieselbe Richtung: Im zweiten Quartal 2023 gibt es einen Rückgang des heimischen Bruttoinlandsprodukts. Die Schwäche der Industrie schlägt nun auf die Gesamtwirtschaft durch. Und auch Deutschland, unser wichtigster Handelspartner, ist derzeit alles andere als eine Lokomotive. Wir brauchen jetzt ein Standortpaket, das wirksame Impulse setzt. Insbesondere ist ein besserer Rahmen für Investitionen notwendig. Denn Investitionen sind das Wachstum von morgen.

Und wo liegen thematisch die größten Baustellen bei den Betrieben?

Wir befragen unsere Firmen regelmäßig nach ihren größten Herausforderungen. An der Spitze liegt nach wie vor mit großem Abstand der Arbeitskräftemangel, gefolgt von hohen Energie– und Rohstoffpreisen sowie den Arbeitskosten. Platz 4 belegt die Inflation und neu dazugekommen sind Finanzierungskonditionen. Die Zinsen sind hoch, die Kreditregeln teilweise zu scharf, was Betriebe und Private bremst. Das macht Wohnen weniger leistbar und hat auch negative Auswirkungen auf die Bauwirtschaft.

Was erwarten Sie sich in dieser Situation von der Politik?

Dass sie in die Gänge kommt, vor allem auf Bundesebene. Das Klimaschutzgesetz hängt in der Warteschleife, die versprochene Arbeitsmarktreform wurde einfach für gescheitert erklärt. Und beim brennenden Thema Arbeitskräftemangel geht auch nichts weiter. Längeres Arbeiten für Pensionistinnen und Pensionisten muss endlich attraktiver gemacht werden. Die Bundespolitik hat das längst angekündigt – aber wir warten seit Monaten auf die Umsetzung. Auch eine steuerliche Entlastung bei den Überstunden würde Druck wegnehmen. Daher meine klare Aufforderung in Richtung Wien: Entlastet endlich längeres Arbeiten und Überstunden!

Und was ist beim Arbeitskräftemangel auf längere Sicht zu tun?

Es gilt, an allen Stellschrauben gleichzeitig zu drehen. So ermöglicht bessere Kinderbetreuung mehr Frauen den Einstieg in die Erwerbsarbeit. Es ist absolut positiv zu werten, dass sich die Landesregierung nun auf 2025 für den Beginn des gesetzlichen Anspruchs auf Kinderbetreuung festgelegt hat. Es wird auch nicht ohne qualifizierte Zuwanderung gehen. Parallel dazu braucht es neue, flexible und branchenspezifische Arbeitsmodelle. Was wir in dieser schwierigen Situation sicher nicht brauchen, ist eine faktenbefreite Diskussion über eine Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Stunden und das auch noch bei vollem Lohnausgleich.

Und bei Herausforderung Nummer 2, den Energie- und Rohstoffpreisen?

Da gibt es mehrere Ebenen. Erstens die heimische Stromproduktion: Der Ausbau der Wasserkraft geht viel zu langsam. Die Verfahren ziehen sich wie Kaugummi. Zweitens fordert die WK Tirol, dass Energieversorger im öffentlichen Eigentum zu leistbaren Preisen verpflichtet werden müssen.

Wo hakt es bei der Herausforderung Nummer 3, den Arbeitskosten?

Steuern und Abgaben sind viel zu hoch. Das war bereits in den letzten Jahren so, wirkt sich jedoch jetzt in der angespannten wirtschaftlichen Lage besonders dramatisch aus. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen mehr Netto vom Brutto bekommen!

Wie sollen die Weichen in Richtung Zukunft gestellt werden?

Wir müssen unsere Chancen nutzen. Die sehe ich zum Beispiel in der Nachhaltigkeit und im Klimaschutz. Sehr viele heimische Betriebe investieren bereits in die Ökologisierung und machen daraus eine echte Zukunftschance. Auch regionale Produkte und Dienstleistungen liegen voll im Trend, gerade bei Jüngeren: Regionalisierung bedeutet kurze Wege, Arbeitsplätze vor Ort, den Einsatz heimischer Ressourcen. Darin liegt eine große Chance für unsere Betriebe in den Tiroler Bezirken und für eine Belebung der Ortskerne – wir müssen die Gelegenheit nur am Schopf packen!