Das Arbeitsmarkt-Paradoxon
Mehr Beschäftigte, aber weniger geleistete Arbeitsstunden. Darin liegt ein Teil der Ursache für den Arbeitskräftemangel.
Der österreichische Arbeitsmarkt verzeichnete im Juli 2023 erstmals in seiner Geschichte mehr als 4 Millionen unselbständig Beschäftigte. Dass die Wirtschaft trotz dieses Rekordwerts viele Stellen nicht besetzen kann, hängt wesentlich mit der indirekten Arbeitszeitverkürzung seit Beginn der Pandemie zusammen.
In praktisch allen Branchen kämpfen Unternehmen mit einem akuten Arbeitskräftemangel. Ein entscheidender Grund für die Knappheit ist, dass die durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden immer noch deutlich unter dem Niveau vor Corona liegen. Unter anderem kam es zu Rückgängen bei den Überstunden, zu einem Anstieg der Teilzeitbeschäftigten von 28,5 auf 31 % und einer Verlagerung zu Branchen mit kürzeren Arbeitszeiten.
Enormer Effekt
Im 1. Quartal 2023 arbeiteten die Erwerbstätigen in Österreich durchschnittlich um 5 % weniger als im 4. Quartal 2019. Pro Woche und Erwerbstätigen fehlt in den Betrieben somit mehr als eine Stunde Arbeitszeit. Dieser Rückgang multipliziert sich volkswirtschaftlich zu einen enormen Effekt: Wenn alle 4 Millionen Beschäftigten in Österreich eine Stunde weniger pro Woche arbeiten, entspricht das einem Verlust von rund 130.000 Arbeitskräften und erklärt einen großen Teil des Arbeitskräftemangels.
Welche massiven Auswirkungen bereits der Verlust einer Arbeitsstunde hat, lässt erahnen, wie ausgeprägt der Arbeitskräftemangel erst wäre, wenn die derzeit diskutierte Reduktion der Vollarbeitszeit auf 32 Stunden Realität werden würde. Es ist leicht auszumalen, wie schwierig es dann wäre, einen Installateur bei einem Wasserrohrbruch, einen Platz in einem Restaurant oder genügend Fahrer für den öffentlichen Personennahverkehr zu bekommen.
Die Betriebe sind bereits jetzt am Limit. Jeder weitere Ausfall von Arbeitsstunden führt unweigerlich zu Leistungseinbußen und/oder Preissteigerungen. Um unsere jetzigen Standards und unseren Versorgungsgrad aufrechterhalten zu können, dürfen die Arbeitsstunden nicht noch weiter sinken. Das erfordert Anreize, etwa mehr steuerliche Begünstigung für Überstunden, weniger Abgaben auf Arbeit und eine flächendeckende Kinderbetreuung.
