Netzwerk Handwerk: Meister:innen der Begeisterung
Die Initiative „Netzwerk Handwerk“ setzt seit 2017 bewegte und kreative Begegnungspunkte mit dem Handwerk in der LEADER-Region Kitzbüheler Alpen. Auf unterschiedlichste und stets animierende Weise wird Wissen vermittelt, Begeisterung geweckt und programmatisch über den Tellerrand geblickt. Dafür wurde die Initiative mit dem 1. Tiroler Handwerkspreis in der Kategorie „Kooperation & Teamwork“ ausgezeichnet.
Diese Reiseroute hatte es in sich. Das Univer sum des Handwerks in der LEADER-Region Kitzbüheler Alpen wurde dabei nicht nurentdeckt, sondern auch ganz konkret genutzt – und dass das Hand anlegen Spaß gemacht hat, ist keine Frage. Kinder und Jugendliche lernten auf dieser Reise die handwerklichen Highlights ihrer Heimatregion kennen, tauchten tief in das Knowhow der Meister:innen ein und nahmen viel mehr als trockenes Wissen mit nach Hause und mit ins Leben. „Ja, die Expedition Handwerk war eine schöne Geschichte“, erzählt Andrea Achrainer. Ein mit Spannung geladener Bus, viel Neugier und viele geschickte Hände spielen dabei genauso eine Rolle wie zahlreiche Handwerksbetriebe der Region. Nicht zu vergessen ein futuristisches Sitzmöbel, das zu bauen Ziel der Reise war, in deren haptischen und praktischen Erinnerungen eine großartige Strahlkraft steckt. „Das war auch für die Handwerker:innen ein Erlebnis“, weiß Achrainer.
Andrea Achrainer ist Projektleiterin des Netzwerk Handwerk und Mit-Initiatorin der Initiative, die längst Flügel bekommen hat. Im regionalen LEADER-Büro wurde die Idee geboren, dem oft introvertierten Handwerk mit all seinen Facetten, Möglichkeiten und Schönheiten eine extrovertierte Bühne zu geben. „Es geht darum, das Thema Handwerk mehr in die Öffentlichkeit zu bekommen, niederschwellig durch Vermittlungsprogramme, öffentliche Veranstaltungen und Projekte für Kinder genauso wie Erwachsene. Das war der Grundgedanke, so hat das zu wachsen begonnen“, erzählt sie.

Das LEADER-Projekt
Die Funken müssen schon ganz am Anfang geflogen sein, loderte das Begeisterungsfeuer doch ziemlich rasch auf und erfasste das Tiroler Unterland beziehungsweise jene Gemeinden der Bezirke Kitzbühel und Kufstein, die sich 2015 zur LEADER-Region Kitzbüheler Alpen zusammengetan haben, um unterstützt von der Europäischen Union, dem Bund und dem Land Tirol an Gemeinsamem zu arbeiten. Gemeinsames ist stets ein Merkmal von LEADER-Projekten, mit denen die EU seit knapp 30 Jahren die Weiterentwicklung der Regionen beziehungsweise die Gestaltung des Wandels im ländlichen Raum ankickt.
Das Handwerk steht per se für Gestalten und Weiterentwickeln, es ist untrennbar mit den Regionen verbunden und passt gleichsam wie die Faust aufs Auge zum LEADER-Prinzip. „Der Wert der Initiative wurde sehr schnell erkannt“, weiß Andrea Achrainer. Rasch wurde der Verein Netzwerk Handwerk gegründet, um den Vermittlungsprogrammen einen verantwortungsvollen wie treibenden Rahmen zu geben. An Bord waren beziehungsweise sind neben EU, Bund und Land auch die WK Tirol, die WK-Bezirksstellen Kitzbühel und Kufstein sowie – last but not least – die Gemeinden und Tourismusverbände der LEADER-Region. Derart unterstützt wurde 2017 nicht nur das 1. Internationale Handwerksforum organisiert, das seither einen Fixpunkt im Netzwerk Handwerk-Jahr bildet, sondern auch am Programm für 2018 gewerkelt, in dem die bunte Breite der Vermittlungsmöglichkeiten erstmals ausgekostet werden konnte. „Expedition Handwerk – kids handwerksTOUR“ war ein Programmpunkt, der das Potenzial der Initiative schon im ersten Jahr prächtig unter Beweis stellte.
„Wir haben ein Programm für eine Schwerpunktschule ausgearbeitet. Damit würde das Handwerk mehr Wertigkeit bekommen.“
Gegenseitige Befruchtung
Ein selbst entworfener und gebauter Stuhl war das Ziel der Expedition, die die Kinder und Jugendlichen auf einer Bustour durch die Region und zu allen Handwerker:innen führte, die für das Werkstück nötig waren. Der Plan für den Stuhl stammte von einem Architekten. „Die Zusammenarbeit zwischen den Handwerker:innen und den Kreativen – Designer:innen, Architekt:innen oder Künstler:innen – ist uns ganz wichtig, weil sie sich gegenseitig befruchten“, betont Projektleiterin Achrainer und hält fest: „Natürlich sind Handwerker:innen selbst kreativ, aber es geht darum, über den Tellerrand zu schauen und Ideen zu bekommen.“
Das Auge schläft, bis es der Geist mit einer Frage weckt. Diese Dynamik kann auf vielen Ebenen befeuern und die Antwort auf die Frage „Wie entsteht ein Stuhl?“ forderte alle Sinne der Kinder und Jugendlichen heraus. Den Plan und die notwendigen Materialien vor Augen, wurde als erste Station ein Säge- und Hobelwerk angesteuert, wo die jungen Reisenden den Weg vom Baumstamm zum Brett verfolgen konnten. „Dann ging es zum Drechsler, zum Laserschnittcenter für die Metallteile und zum Raumausstatter, wo in Zusammenarbeit mit der Gerberei der Bezug des Stuhls entstanden ist“, erzählt Andrea Achrainer. Für die seither blühende Zusammenarbeit zwischen dem Raumausstatter Buchmayr in Hopfgarten und der Gerberei Trenkwalder in Scheffau wurde damit der Grundstein gelegt. „Aus dieser Zusammenarbeit sind schon superschöne Polstermöbel entstanden. Vieles liegt vor der Haustüre, man denkt nur nicht daran“, weiß Andrea Achrainer, wie wichtig auch die Vernetzung der Handwerker:innen selbst ist, der sich das Netzwerk ebenso widmet
Weil eine Lampe in den Stuhl eingebaut wurde, führte die Expedition zu einem Elektriker, ein Installateur wurde ebenso gebraucht, beim Tischler wurde der Stuhl zusammengebaut und beim Maler bekam er den gewünschten Anstrich. „Dazwischen waren wir noch bei den Milchbuben, weil Handwerker:innen ja eine Jause brauchen“, rundet Achrainer die Expedition ab, die bei den Kindern und Jugendlichen tiefe Eindrücke hinterließ und die Gewerke mit allen Sinnen erlebbar machte.


Bewusstseins-Brücken
In diesem Takt ging es weiter. Handwerks-affine Themen wie Nachhaltigkeit, Rohstoffe, Circular Design wurden „bearbeitet“, die kleinstrukturierten, meist familiengeführten Betriebe vor den Vorhang geholt, ihr Wert als wirtschaftlich und gesellschaftspolitisch tragender Faktor unterstrichen und Bewusstseins-Brücken in die Zukunft gebaut. In den sechs Jahren wurden 35 öffentliche Veranstaltungen, sechs internationale Handwerksforen und zahlreiche Exkursionen organisiert, starke Partnerschaften etwa mit der Kunst- und Architekturschule „Bilding“ oder dem Institut für experimentelle Architektur „studio3“ aufgebaut und immer wieder Leuchttürme gesetzt, die Kinder und Jugendliche reizen. „Wir haben ein Programm für eine Schwerpunktschule ausgearbeitet. Damit würde das Handwerk eine andere Wertigkeit bekommen“, weiß Andrea Achrainer. Die Pläne waren schon recht weit gediehen, das Schulprojekt scheiterte vorerst an Sprengelfragen, doch Achrainer ist überzeugt, dass dieser Zug noch nicht abgefahren ist.
Eine Schule mit dem Schwerpunkt Handwerk ist jedenfalls ein großer Wunsch des Netzwerks – wie ein Handwerkshaus, also eine fixe Drehscheibe für die Vermittlungs- und Bildungsarbeit. „Jetzt bauen wir uns eine mobile Werkstätte, die wir dann von Ort zu Ort transportieren können“, so Achrainer. Dass das Netzwerk Handwerk mit dem 1. Tiroler Handwerkspreis in der Kategorie „Kooperation & Teamwork“ ausgezeichnet wurde, verwundert echt nicht, denn die Worte, mit denen Franz Jirka, Obmann der Sparte Gewerbe und Handwerk, bei der Gewerbe- und Handwerksgala in der Tiroler Wirtschaftskammer die Preisverleihung umrahmte, sind für das Netzwerk Programm: „Handwerk hat in Tirol eine lange Tradition und ist ein wichtiger Teil von Wirtschaft und Kultur der Region. Viele Handwerkerinnen und Handwerker haben ihre Fähigkeiten von Generation zu Generation weitergegeben. So wird altes Wissen erhalten und gleichzeitig mit modernen Techniken weiterentwickelt und zukunftsfähig gemacht.“
Weitere Infos: Netzwerk Handwerk