„Nicht jeder Schuh passt für jeden Fuß“, weiß Silvia Decristoforo und vermisst die Füße ihrer Kundschaft darum genau.
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Handwerk mit Profil

Mit einem Fokus auf orthopädische Schuhe führen Silvia Decristoforo und Adi Staudinger das Schuhfachgeschäft Staudinger in der Innsbrucker Innenstadt bereits in fünfter Generation.

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Aktualisiert am 25.05.2023

Bereits seit 1788 ist die Familie Staudinger eng mit dem Schuhmacherhandwerk verbunden. „Schon unser Ur-Ur-Urgroßvater verdiente sich sein Brot als Landschuhmacher“, berichtet Adi Staudinger aus der langen Firmengeschichte. Heute legt das inhabergeführte Fachgeschäft ein besonderes Augenmerk auf die Fußgesundheit. Während sich Adi Staudinger vornehmlich um die Bereiche Orthopädie und Reparatur kümmert, leitet seine Schwester Silvia Decristoforo den Verkauf.

235 Jahre am Laufen

Die langjährige Firmengeschichte von Schuh Staudinger ist von Umstrukturierungen in der Branche und daraus resultierenden Innovationen geprägt. „Unsere Firmengeschichte geht einher mit der Entwicklung des Alpinismus. Um das Gründungsjahr wurden wichtige Gipfel der Alpen erstbestiegen“, erklärt Adi Staudinger. Seit jeher ist Schuh Staudinger fest mit dem Bergsport verbandelt. Michael Staudinger, der Großvater von Silvia und Adi , siedelte das Unternehmen von Kitzbühel nach Innsbruck über. Dort fertigte er fast ausschließlich Oberteile für Wanderschuhe. Diese lieferte er anschließend an die Tiroler Schuhmachermeister, die die Schuhoberteile dann mit den von der Kundschaft gewünschten Schuhböden besohlten.

In vierter Generation erweiterte schließlich Adi Staudinger sen. das Unternehmen um ein Fachgeschäft für Berg- und Sportschuhe und Schuhreparatur. In Kooperation mit dem Skischuhhersteller Strolz entwickelte der Seniorchef zudem die ersten geschäumten Ski-Innenschuhe aus Leder. Als mit der aufkommenden Industrialisierung auch die Serienfertigung ihren Siegeszug in Tirol feierte, kam es aufgrund des Preisdrucks zu großen Umstrukturierungen in der Schuhmacherbranche. Aufgrund dieser Entwicklungen rückte auch Schuh Staudinger das Fachgeschäft und die Reparatur verstärkt in den Fokus des Unternehmens. Seit Mitte der 1980er-Jahre betreiben Silvia Decristoforo und Adi Staudinger das Fachgeschäft am heutigen Standort mit einem besonderen Augenmerk auf Fußgesundheit. Dank ihrer Ausbildungen zur Einzelhandelskauffrau und zum Orthopädieschuhmacher ergänzen sich die Geschwister in ihren Aufgaben im Familienbetrieb optimal. Mit Silvias Sohn, Peter Decristoforo, der kürzlich seine Gesellenprüfung zum Orthopädieschuhmacher erfolgreich ablegte, steht die 6. Generation bereits in den Startlöchern.

In der Werkstatt von Schuh Staudinger fertigt das orthopädische Schuhmacher:innen-Team Maßschuhe in Handarbeit.
© WK Tirol In der Werkstatt von Schuh Staudinger fertigt das orthopädische Schuhmacher:innen-Team Maßschuhe in Handarbeit.

Für jeden Fuß den richtigen Schuh

„Wir sind darauf spezialisiert, Menschen zu helfen, die im normalen Schuhhandel nichts mehr finden“, beschreibt Adi Staudinger die Firmenphilosophie, „wenn Füße schmerzen, Unterstützung brauchen oder keine Konfektionsschuhe mehr passen, ist es Zeit für orthopädische Schuhe“. Dank der kompetenten Beratung bei Schuh Staudinger gelingt es aber bereits, bei den ersten Anzeichen einer Fußfehlstellung, durch das richtige Material Abhilfe zu schaffen.

„Maßgefertigte orthopädische Schuhe sind in manchen Fällen das letzte Mittel für mehr Lebensqualität“, spricht Staudinger aus Erfahrung. Noch bevor es an die Fertigung geht, nimmt sich der routinierte Orthopädieschuhmacher darum viel Zeit für die Vermessung der Füße seiner Kundschaft. „Mit Hilfe eines 3D-Scans, eines Gipsmodells und einer Trittspur vermessen wir die Füße aus allen Perspektiven. Daraus entsteht dann ein genaues Modell der Leisten am PC“, erklärt der Geschäftsinhaber. Auf der Basis dieses digitalen Modells fertigt Schuh Staudinger einen ‚Probeschuh‘. Durch die Anprobe des Modells wird dann kontrolliert, ob Fußbettung und Leisten passen oder eine Feinkorrektur notwendig ist.

Erst nach der erfolgreichen Anprobe folgt dann die Anfertigung des Maßschuhs in Handarbeit. „Für jede noch so besondere Fußform wird von unseren Orthopädieschuhmacher:innen ein einzigartiges Schuhoberteil angefertigt“, erklärt Staudinger, „dabei können wir auch auf Kundenwünsche eingehen. Die Wahl der Schuhart, der Ledersorte, der Schuhfarbe oder der Laufsohle können individuell gestaltet werden“. Jeder Maßschuh wird schließlich bei der Abnahme exakt auf seine Passform überprüft.

Auch im Fachhandel setzt Schuh Staudinger auf dieses Konzept. „Nicht jeder Schuh passt für jeden Fuß“, weiß die erfahrene Schuhhändlerin Silvia Decristoforo, „darum bieten wir Schuhe für viele unterschiedliche Fußtypen an und vermessen wir die Füße unserer Kundschaft genau, bevor es ans Anprobieren geht. Außerdem sind alle unsere Schuhe auch für orthopädische Maßeinlagen geeignet“. Wie beim Leder für die Fertigung der orthopädischen Schuhe setzt Schuh Staudinger beim Ankauf der Ware auf Produkte aus Europa. Aufgrund des Nachhaltigkeitsgedanken setzt man bei Schuh Staudinger auf die Reparatur. „Egal, ob Straßen- oder Skischuh. Unsere Schuhmacher:innen kümmern sich vom Loch im Fersenfutter bis zur kaputten Schnalle am Skischuh um alle Belange“, so Staudinger.


„Orthopädische Schuhe sind in manchen Fällen das letzte Mittel für mehr Lebensqualität“, ist sich Adi Staudinger des Werts gesunder Füße bewusst.
© WK Tirol „Orthopädische Schuhe sind in manchen Fällen das letzte Mittel für mehr Lebensqualität“, ist sich Adi Staudinger des Werts gesunder Füße bewusst.

Lehrlingsausbildung

Lange Zeit engagierte sich Adi Staudinger in der Innung der Schuhmacher. Der Orthopädie- und Schuhmachermeister setzte sich für den Erhalt der Berufsschule in Hall in Tirol ein und ist noch heute in die Organisation der Lehrlingswettbewerbe eingebunden.

Für die Auszubildenden in seinem Betrieb geht er als Paradebeispiel einer erfolgreichen Karriere mit Lehre voran. „Viele junge Menschen zieht es zurzeit ins Akademische, aber wir brauchen Lehrlinge in unserer Gesellschaft, es nutzt nichts“, äußert sich Staudinger besorgt. In seinem Betrieb versucht der gelernte Schuhmacher darum, Anreize im Sinne eines Essens- oder Fahrtkostenzuschusses zu schaffen und seinen Mitarbeitenden und Lehrlingen verantwortungsvolle Aufgaben zu übertragen. „Unsere Lehrlinge brauchen Grips und müssen etwas auf dem Kasten haben, schließlich müssen sie sich mit Ärzten abreden können und sowohl auf dem Gebiet der IT als auch mit dem Schuhmacher-Handwerk bewandert sein. Schuhmacher:innen fertigen in relativ kurzer Zeit etwas enorm sinnvolles Produkt. Ist ein Schuh erst mal gefertigt, erhält man ein direktes Feedback über den etwaigen Erfolg oder Misserfolg“, wirbt Staudinger für eine orthopädische Schuhmacher:innen-Lehre, „zudem bietet Schuh Staudinger das Umfeld eines ‚richtigen‘ Familienbetriebs, echtes Handwerk, Kontinuität und keine Bocksprünge.“

Das sich bis zur gesellschaftlichen Gleichstellung der Lehre und der akademischen Laufbahn im System der dualen Ausbildung noch einiges attraktivieren muss, ist für Adi Staudinger dennoch ausgemachte Sache.

Weitere Infos: Schuh Staudinger