Interdisziplinär in die Zielgerade
Campus Tirol Motorsport (CTM) ist ein gelungenes Beispiel dafür, welche Impulse von einem interdisziplinären Projekt ausgehen können und wie sich die Brücke zwischen Wissenschaft und Wirtschaft schlagen lässt.
Alles begann im Jahr 2016 mit vier engagierten Studenten und ihrer Vision: dem Konzipieren, Designen und Fertigen eines elektrischen Rennwagens für die Teilnahme am Formula Student Race. Das Team Campus Tirol Motorsport (CTM) wurde gegründet und mehrere hundert Stunden Arbeit später stand mit dem e01 ein erster Prototyp des Boliden zuerst in der Werkstatt des InnCubator am WIFI und danach am Campus Technik der Uni Innsbruck, wo sich nun das Headquarter befindet. Sechs Jahre später arbeiten über 60 Studierende von vier Universitäten und Hochschulen aus Tirol jedes Jahr aufs Neue gemeinsam an den Herausforderungen der Elektromobilität und dem Bau eines neuen Rennwagens. In den letzten Jahren wuchs die Mitgliederzahl und mit ihr das Know-how und die Erfahrung.
Der Höhepunkt jeder Saison ist die Teilnahme an Formula-Student-Events in ganz Europa. Entstanden ist die Formula Student in den frühen 80er-Jahren in den USA und knapp 20 Jahre später schaffte der Studentenwettbewerb den Sprung über den Atlantik. Mittlerweile finden in ganz Europa Formula-Student-Events statt, wobei das Heimrennen des CTM-Teams am Red Bull Ring in der Steiermark ausgetragen wird. Die Rahmenbedingungen dieser Wettbewerbe werden in einem umfangreichen technischen und sportlichen Reglement festgelegt. Die erste Hürde stellt jeweils die extrem strenge Zulassung für das Rennen dar.
Internationale Teams
Bei jedem Event treten zahlreiche internationale Teams in acht Disziplinen gegeneinander an. Das Team, das zum Abschluss der Wettbewerbswoche die meisten Punkte gesammelt hat, gewinnt. Die Formula Student bietet damit Erlebnis und Kontakte – aber noch viel mehr. Angehende Ingenieur:innen und Student:innen anderer Fachdisziplinen aus Natur- und Geisteswissenschaften finden hier eine Plattform zum Lernen und können Erfahrungen sammeln. Der Wettbewerb stellt eine einzigartige Möglichkeit dar, das theoretische Wissen der Studenten im praktischen Kontext anzuwenden.
„Lebenslanges Lernen“ ist ein bekanntes Schlagwort – das sich auch auf das Lernen selbst bezieht. „Die Lernmethoden werden laufend weiterentwickelt und den modernsten Erkenntnissen angepasst, um Kompetenzen bestmöglich zur Entfaltung zu bringen“, erklärt der Leiter des Bildungsconsultings, Wolfgang Sparer. Das Manager Magazin befasste sich in seiner Ausgabe vom März 2020 mit „Corporate Learning 2025“. Viele der dort genannten Prinzipien treffen exakt auf das Projekt CTM zu. Das zeigt sich deutlich beim Blick auf die vier Themengebiete des Corporate Learnings. Erstens: Leadership & Lernkultur 2025 – Wissen teilen ist Macht. Zweitens: Die Lernenden 2025 – Selbstorganisiert und kollaborativ statt zentral gesteuert. Drittens: Die Lernumgebung 2025 – Vernetztes Arbeiten in virtuellen und physischen Räumen. Viertens: Learning & Development 2025 – Von der Abteilung zum interdisziplinären Netzwerk. „Es ist offenkundig, dass der Zugang zum Lernen beim Projekt CTM genau diesen Grundsätzen entspricht“, so Wolfgang Sparer, „das erklärt auch die Anziehungskraft und den Erfolg, den das Team in nur sechs Jahren erreichen konnte.“ Es sind Projekte wie dieses, die in Tirol neue Wege beschreiten und, eingebettet in universitäre Netzwerke, die Standards für zukünftiges Lernen Schritt für Schritt nach oben setzen. In Ergänzung mit den vom Bildungsconsulting angebotenen Instrumenten wie der Personaldiagnostik oder dem Fähigkeiten-Modell FUTUR können individuelle Kompetenzen punktgenau herausgearbeitet und gezielt entwickelt werden.
Unterschiedliche Sudienbereiche ergänzen sich
Das Fachwissen aus den unterschiedlichsten Studienbereichen ergänzt sich zu einem großen Ganzen. Insgesamt gibt es sieben sogenannte „Departments“. Die Mitglieder des Administration Departments befassen sich mit allen wichtigen organisatorischen Aufgaben wie Human Resources, Eventmanagement und Verwaltung. Das Sponsoring Department kümmert sich um die nötigen finanziellen Mittel, während Finance die Kostenplanung und -überwachung übernimmt. Das Marketingteam betreibt Öffentlichkeitsarbeit. Die Mitglieder des Technical Departments kümmern sich darum, dass die PS auf die Straße kommen: Bei Chassis & Aerodynamics dreht sich alles ums Fahrgestell, Karbon und Luftwiderstand. Das Suspension Department sorgt währenddessen für das Bremssystem, die Lenkung und die Federung der Rennwagen. Der Antrieb, das elektrische System und die Software liegt in den Händen der Mitglieder von Electronics & Powertrain.
Mit der 4. Generation des Tiroler Boliden, dem e04, hat das CTM-Team in der letzten Saison bei zwei internationalen Formula-Student-Events bei den etablierten und großen Teams mitgemischt. „Zusammen mit unseren Unterstützern wollen wir uns in dieser Saison auf der internationalen Rangliste weiter nach oben kämpfen und der Welt zeigen, was die junge Generation aus Tirol alles kann“, erklärt Team Captain Moritz Pertner. Der Bolide für die aktuelle Saison, der ct5, soll schneller, leichter, zuverlässiger – kurzum besser als seine Vorgänger werden. Mit ihm will das CTM-Team bei einem Formula-Student-Event unter die Top 10 kommen.

Der Campus Tirol Motorsport schlägt somit erfolgreich die Brücke zwischen verschiedenen fachlichen Disziplinen und in die Praxis. „Außeruniversitäre Aktivitäten wie das CTM Projekt sind enorm wichtig für die Weiterbildung junger Leute und zeugen von Motivation und Leidenschaft für bestimmte Fachbereiche“, so eine prominente Stimme aus dem Motorsport, Toto Wolff, CEO und Teamchef des Mercedes-Formel1-Teams. CTM überlässt den unternehmerischen Erfolg nicht dem Zufall, sondern bietet professionelle Sponsorenpakete für Partnerunternehmen.
Alle Informationen dazu finden sich online unter: ct-motorsport.at.


Im TW-Interview zeigt University Advisor Günter Scheide von der Transferstelle Wissenschaft-Wirtschaft-Gesellschaft der Uni Innsbruck auf, was das Team Campus Tirol Motorsport (CTM) so besonders macht.
Sie leisten als Ideengeber, Mentor und Vernetzer einen großen Beitrag dafür, dass das Projekt CTM im wahrsten Sinne des Wortes in die Gänge gekommen ist. Welche Kompetenzen werden über dieses Projekt bei den Mitwirkenden entwickelt?
Das Projekt bringt es mit sich, dass eine extrem hohe Fluktuation der Normalzustand ist. Ältere Studenten scheiden aus, neue Jahrgänge kommen laufend nach. Das erfordert, Wissen professionell aufzubauen, zu managen und weiterzugeben. Diese Anforderung gibt es auch im Arbeitsleben, wo Mitarbeiter in andere Abteilungen wechseln oder in Pension gehen. Erwähnen möchte ich auch, dass die Zusammenarbeit von vier Hochschulen (Uni Innsbruck, UMIT, MCI, FH Kufstein) bestens funktioniert und dem Projekt eine besondere Qualität verleiht.
Der Wettbewerb ist international, inwiefern spielt die Sprachkomponente eine Rolle?
Englisch auf hohem Niveau ist die Sprache bei Wettbewerben, aber auch in der Kommunikation mit den internationalen Mitgliedern des Teams. Und so banal das klingt: Auch in Deutsch präzise und eindeutig, achtsam und positiv zu kommunizieren, will geübt sein. Daher wissen auch zukünftige Arbeitgeber unsere CTM Teammitglieder zu schätzen.
Wie sieht es mit dem fokussierten Anpeilen eines Projektziels aus?
Lösungsorientierung und Leidenschaft sind Eigenschaften, die unsere Teammitglieder mitbringen müssen. Darüber hinaus braucht es ein hohes Maß an Flexibilität, da sich nur ein Teil der Problemstellungen im Vorhinein klar planen lässt. Zielformulierung und Zielerreichung, Zeitmanagement und Termineinhaltung sind für unsere Teammitglieder nicht nur Schlagworte aus einem Managementseminar, diese Soft Skills werden tagtäglich gelebt und erprobt.
Welche Anforderungen werden an die Organisationsfähigkeit gelegt?
In sämtlichen sieben Fachbereichen, die wir Departments nennen, geht es darum, dass die dort arbeitenden Teams strukturiert und effizient arbeiten, Nebensächliches erkennen und sich auf die wesentlichen Anforderungen fokussieren. Das lässt sich in dieser Ausprägung kaum im normalen Hochschulleben trainieren, das geht eigentlich nur im Rahmen eines großen Projektes wie CTM eines ist. Natürlich wird auch die Teamfähigkeit gestärkt – jeder weiß, dass wir Wettbewerbe nur dann gewinnen können, wenn alle Fachbereiche ihren Job perfekt erledigen.
Es geht ja letztlich um das Hinarbeiten auf und die Teilnahme an Wettbewerben. Was macht das mit den Teammitgliedern?
Sie lernen, mit Stress und belastenden Situationen umzugehen. Der Wettbewerb ist keine Simulation, er ist echt und das ganze Unterfangen ist hochkomplex. Sie lernen für sich extrem viel und erleben pure Selbstwirksamkeit. Obendrauf kommt, dass sie einen Beitrag dazu leisten, den Rennsportstall selbstorganisiert und größtenteils eigenfinanziert langfristig zu etablieren. Und ehemalige CTM’ler bleiben oft indirekt als karrieremachende und weiterhin unterstützende Mitglieder dem Team als Promotoren erhalten, zum Beispiel bei Porsche oder Polestar/Volvo. Das ist übrigens weltweit bei allen Teams so und Teil der Formua Student DNA. Für spätere Führungskräfte und Leistungsträger bietet bieten die Wettbewerbe somit die Möglichkeit, ihre Grenzen auszuloten und an Schwächen zu arbeiten. Auch darin liegt einer der Gründe, warum potentielle Arbeitgeber das Projekt schätzen und unsere Abgänger einen guten Einstieg ins Berufsleben finden.