Von Krypto bis Cyber: Ein Tiroler auf der Datenwelle
Schon früh hat Kevin Riedl das Programmieren für sich entdeckt. Inzwischen hat er seine Leidenschaft zum Beruf gemacht und sich dabei auf eines spezialisiert: Die Blockchain.
Wer Ausdrücke hört wie Ethereum, FinTech, Smart Contract oder NFT, denkt vermutlich als erstes an das Silicon Valley. Diese Begriffe fliegen aber auch in Ampass durch den Raum, wenn Kevin Riedl von seiner Arbeit erzählt. 2019 gründete er sein Unternehmen namens Wavect (eine Kombination aus wave und effect), mit dem er seit einigen Monaten in der Welt der Finanztechnologie mitmischt. „Ich habe mit 13 begonnen, zu programmieren. Schon damals habe ich mich eher für ungewöhnliche Themen interessiert“, sagt Riedl. Mit seinen 25 Jahren hat er bereits ein Informatik-Bachelorstudium an der FH Kufstein abgeschlossen und zahlreiche Projekte realisiert – mit Partnern wie Enya.ai oder den Innsbrucker Kommunalbetrieben (IKB).
Die Blockchain
Spezialisiert hat sich der Ampasser auf einen besonderen IT-Bereich: die Arbeit mit der Blockchain. „Bei diesem Wort landen viele bei Bitcoins. Sie sind auf der richtigen Spur, sehen aber nur einen kleinen Teil der Kryptowelt“, meint er. Eine sogenannte Blockchain steckt nämlich hinter den meisten Kryptowährungen, kurz Kryptos. Diese undenkbar langen Ketten an Datenblöcken beinhalten sämtliche Transaktionen einer Kryptowährung, sind zugleich aber praktisch fälschungssicher. Denn neue Datenblöcke beziehen sich immer auf frühere Abschnitte der Blockchain.
Um eine Transaktion im Nachhinein zu ändern, müssten also alle damit in Verbindung stehenden neu berechnet werden – ein unvorstellbarer Aufwand. Die Daten werden von zahlreichen Rechnern aus aller Welt jederzeit auf die Korrektheit neuer Transaktionen überprüft. „Diese Computer machen die Arbeit, die sonst Banken erledigen. Aber Banken können Fehler machen oder theoretisch bewusst herbeiführen. Weil an der Blockchain so viele verschiedene Computer arbeiten, kann das nicht passieren“, sagt Riedl.
„In der IT-Branche verliert man nach zwei Jahren den Überblick. Bei Blockchains nach zwei Wochen.“
Mit oder ohne Vertrauen
Diese Technologie sei jedoch auch abseits von Kryptos einsetzbar: Rund die Hälfte von Wavects Arbeitsaufträgen sind Dienstleistungen für Unternehmen, die eine eigene Blockchain auf den Markt gebracht haben oder Programme benötigen, die auf dieser Technologie aufbauen. Etwa Smart Contracts, also Programme, die auf einer Blockchain gespeichert werden und für die Nutzer des Programms gewisse Regeln definieren – quasi ein Vertrag, der alle Vertragsparteien automatisch kontrolliert. Aufbauend darauf programmiert Riedl auch DApps, dezentrale Apps, die mit der Blockchain interagieren oder mit einem Smart Contract kommunizieren können. Die Anwendungsformen werden immer vielfältiger, so gibt es schon jetzt ein dezentralisiertes Finanzsystem (DeFi), das viele Aspekte von Banken und Börsen ablösen könnte. Der DeFi-Sektor wickle bereits jetzt mehr Transaktionsvolumen ab als traditionelle Unternehmen wie Visa, sagt der IT-Experte.
Wavects Smart Contracts sind heiß begehrt: Nicht nur mit österreichischen Unternehmen hat Riedl bereits zusammengearbeitet, sondern auch mit Firmen aus Deutschland oder Dubai. Sogar eine Softwarefirma aus den USA ist an einer Kooperation mit Riedl interessiert. Aber: Nicht jede Firma, die eine Anfrage an Riedl schickt, brauche diese Technologie auch. Manche Unternehmen hätten einfach gerne eine Blockchain, weil dieses Konzept derzeit sehr viel mediale Aufmerksamkeit erhält. Das sei dann eher ein Marketing-Gag, meint er.
Die Kunst von Morgen?
Neben dem Programmieren für Unternehmen steckt Riedl viel Zeit in das Erstellen von eigenen Produkten. Konkret geht es dabei um die derzeit viel diskutierten NFT. Diese Non Fungible Tokens, auf Deutsch nicht ersetzbare Wertmarken, werden oft als digitale Kunstwerke bezeichnet. Ähnlich wie die Blockchain festhält, wie viel an Kryptowährung ein Nutzer noch auf seinem Konto hat und wo diese hinwandert, kann sie auch andere Dinge speichern, wie digitale Eigentumsurkunden. Genau das sind NFT: Sie belegen klar erkennbar, dass ein digitales Original, etwa ein Bild, eine Grafik oder ein Video, einem bestimmten Nutzer gehört. Dabei gibt es Ähnlichkeiten zur realen Welt: Obwohl die Mona Lisa millionenfach kopiert wurde, hängt das einzige Original, also ein physisches NFT, im Pariser Louvre.
Gekommen, um zu bleiben
Mit NFT hat sich inzwischen ein richtiger Markt etabliert, in den auch Riedl eingestiegen ist: Er hilft Künstlern, ihre Werke am NFT-Markt zu verkaufen.
Für Tiroler Sporteinrichtungen, zum Beispiel Fitnessstudios, erstellt Wavect gerade eine App, die Kunden bei sportlichen Erfolgen mit NFT und Gutscheinen motivieren soll.
Das Projekt wurde vom Land Tirol gefördert und hat sogar das Interesse eines US-Unternehmens geweckt. Zusätzlich gibt Riedl Kurse zu NFT und Kryptowährungen – stilecht mit einem Abschlusszertifikat in Form eines NFT. Das sei erst der Anfang, sagt der Ampasser, denn NFT hätten großes Potenzial: „NFT sind so vielfältig, dass früher oder später fast jeder mit ihnen in Berührung kommen wird. Aktuell wird damit viel spekuliert, doch schon jetzt sind die Ersteller sehr kreativ. Manche NFT können beispielsweise als Eintrittskarte zu exklusiven Partys genutzt werden. Solche Projekte gibt es mittlerweile in jeder Branche, vom Tourismus über Landwirtschaft und Finanzwesen bis zur Politik.“ Die Frage sei nicht, ob Krypto und NFT zum Alltag werden, sondern nur, wann sich welche Projekte durchsetzen.
Zusätzlich verändere sich der Bereich rasend schnell: „In der IT-Branche verliert man den Überblick, wenn man sich ein, zwei Jahre nicht auf dem Laufenden hält. Bei Blockchains ist das derzeit schon nach ein bis zwei Wochen der Fall.“ Auch der Experte müsse sich ständig informieren, um am Ball zu bleiben. Wohin die Reise mit Blockchains in Zukunft geht, kann der Programmierer deshalb noch nicht sagen. Eines steht für Riedl jedoch fest: Die langen Datenketten sind gekommen, um zu bleiben.