In ihrer Werkstatt haben Waltraud und Walter Rief ein kleines Museum eingerichtet.
In ihrer Werkstatt haben Waltraud und Walter Rief ein kleines Museum eingerichtet.
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Die Schleiferei Rief: Ein Leben voller Schneid

In ihrer Werkstatt haben Waltraud und Walter Rief ein kleines Museum eingerichtet.
© WK Tirol/Keller

Der scharfe Ruf von Waltraud und Helmut Rief geht um die ganze Welt. Vor 40 Jahren haben sie mit dem Schleifbetrieb begonnen.
Nun zählen sie zu den Letzten ihres Fachs.

Schon die Fahrt „zum Schleifa Rief“ ist ein kleines Abenteuer. Selbst Tiroler Höhen- und Kurvenkundige sind jedenfalls überrascht, wenn sie zum ersten Mal nach Hattingberg fahren. Der Name verrät treffend, wo der Ort liegt. In Hatting bei Innsbruck – nur halt auf dem Berg. Dort gibt es ein kleines Kirchlein, prächtige Blicke auf die Hohe Munde, ein paar Bauern- und auch andere Häuser. Wie das von Waltraud und Helmut Rief. Die Geschichte ihres Hauses verrät bereits so manches über dieses außergewöhnliche Paar.

Ihre Liebe zum Detail etwa oder ihre Hingabe, wenn es um schönes, qualitätsvolles Handwerk geht. Ein holzgezapftes Häusl hatte sich Helmut gewünscht und nachdem sie so eines in Toni’s Flohmarkt „gegen Abbau zu verkaufen“ gefunden hatten, taten sie genau das. Sie bauten es ab, reinigten die Riegel und lagerten sie so lange zwischen, bis sie das Grundstück in Hattingberg fanden. „Damals hatten wir noch die Werkstatt in Volders, die Wohnung in Wattens, wir waren mit unserem Lkw unterwegs und haben das Haus gebaut“, erzählt Helmut Rief und seine Frau Waltraud ergänzt lachend: „Ja, da waren wir echt ausgelastet.“

Scharfmacher

36 Jahre lang sind Waltraud und Helmut Rief durch ganz Tirol gefahren, um scharf zu machen, was scharf gehört. Ihr hochprofessioneller mobiler Schleifbetrieb war ein echtes Erfolgsmodell. Die Idee dazu hatte der gelernte Maschinenschlosser Helmut Rief, als er im Kundendienst die Maschinen der Metzger wartete und reparierte. Die Messer der großen Wurstmaschinen, in denen nach eindringlichem Zerkleinern und Vermischen der Zutaten die Köstlichkeiten entstehen, waren heikle Angelegenheiten. Da dachte er, dass das ein Geschäftsmodell sein könnte. Vor 40 Jahren war das. „Zu der Zeit gab es noch 270 Metzgereien in Tirol“, blickt Helmut zurück. Das damals noch nicht freie Gewerbe durfte er wegen seiner Maschinenschlosser-Ausbildung mit entsprechendem Dispens betreiben. Die Messerschmied-Meisterprüfung legte er bald ab und tauchte dabei tief in die Geheimnisse dieser uralten Kunst ein, die Grundlage für die Meisterschaft im Schleifen wurde.

Der leidige Spruch, dass aller Anfang schwer ist, bewahrheitete sich aber auch bei ihm. Denn die Marktlücke, die er entdeckt hatte, war für seine potenziellen Kunden erst einmal nicht ersichtlich. „Als die Wurstmaschinen noch nicht so hochtourig gelaufen sind, haben sie die Messer selbst geschliffen“, erzählt Helmut von der ersten Hürde. Die Metzger mussten erst davon überzeugt werden, dass es sich lohnt, die Messer professionell schleifen zu lassen – und dafür Geld auszugeben. Kein leichtes Unterfangen. Gar nicht. „Da sagte Helli, Schatzi, du musst mir helfen“, erinnert sich Waltraud Rief an den entscheidenden Satz, der sie schließlich zur Marketingchefin und kongenialen Partnerin auf und mit dem Schleif-Lkw machte.

Zu ihrem 40-jährigen Betriebsjubiläum wurden Helmut und Waltraud Rief kürzlich mit der Ehrenurkunde der Tiroler Wirtschaftskammer ausgezeichnet - dazu gratulierte Innungsmeister Christian Dollinger (r.) sehr herzlich.
Zu ihrem 40-jährigen Betriebsjubiläum wurden Helmut und Waltraud Rief kürzlich mit der Ehrenurkunde der Tiroler Wirtschaftskammer ausgezeichnet - dazu gratulierte Innungsmeister Christian Dollinger (r.) sehr herzlich.
© WK Tirol

Schliff für Schliff

In mühevoller Klein- und Kopierarbeit suchte Waltraud alle Adressen der Metzger aus den Telefonbüchern. Internet oder Handys gab es ja noch nicht. Mit ihrer charmanten Art muss es ihr gelungen sein, die Metzger des Landes zu erreichen. „Ich habe genau Kartei geführt. Nach zwei Monaten habe ich angerufen und gesagt, jetzt brauchst du wieder die Schneid. Dann sagten sie, ja, wenn du moanst“, erzählt Waltraud von dem hart erarbeiteten Vertrauen, das die Metzger schließlich in die Riefs setzten: „Nach drei Jahren haben wir gemerkt, jetzt geht’s, jetzt läuft’s von allein.“

Ursprünglich wollte sich Waltraud nur um die Buchhaltung des Schleifbetriebes kümmern, doch bald war sie Teil des kleinen Teams und erlernte das Schleifen mit all seinen Feinheiten. Schon vor dem großen unternehmerischen Abenteuer hatte sie ihren Wagemut unter Beweis gestellt. Kurz nach ihrer Hochzeit – vor 47 Jahren – war Helmut Rief als Fernfahrer unterwegs gewesen. „Da habe ich heimlich den Lkw-Führerschein gemacht und dann sind wir zusammen unterwegs gewesen“, erzählt sie wieder mit einem Schmunzeln. Die Geschichte der Schleifer Rief ist auch eine schöne Liebesgeschichte. Waltraud: „Nachdem Helli mich gebeten hat, mitzumachen, sagte ich okay, ich widme mein Leben uns.“

Schritt für Schritt, Schliff für Schliff bauten die beiden ihr Unternehmen auf, doch bald bröckelte die Haupt-Säule bedrohlich. „Nach zehn Jahren konnten wir schon nicht mehr von den Metzgern leben, weil sie alle gestorben sind“, sagt Waltraud. Viel Zeit hatten die beiden nicht, das so rasante und traurige Schrumpfen ihrer Klientel zu beweinen. Rasch stellten sie sich um und sprachen alle Sparten an, die eine Schneid brauchen. „Jeder Mensch braucht eine Schneid – die Hausfrau, der Metzger, der Jäger, der Angler, der Koch, der Bauer. Alle“, stellt Waltraud fest. Wer die Welt durch die Augen einer scharfen Klinge betrachtet, kann rasch nachvollziehen, warum die Riefs in Windeseile ausge-lastet waren.

Im hauseigenen Museum können Besicher sich auf eine Zeitreise in die jahrhundertealte Geschichte des Schleifens begeben.
Besucher können sich auf eine Zeitreise in die jahrhundertealte Geschichte des Schleifens begeben.
© WK Tirol
Ein hauseigenes Museum, das viele interessante Details birgt.
Ein hauseigenes Museum, indem es viele interessante Details zu sehen gibt.
© WK Tirol

Scharfer Welt-Ruf

Für ihre diesbezügliche Sensibilität berühmte Köche schwörten landauf landab darauf, die hochheiligen Küchenmesser von den Riefs schleifen zu lassen. Friseurinnen und Friseure haben sich auf die Rief’sche Super-Schneid verlassen, damit der Fassonschnitt nicht in einem unregelmäßigen Desaster endete. Aus ganz Österreich sendeten Friseur:innen ihre stumpfen Scheren zu den Meistern und bekamen sie geschliffen zurück. In gästearmen Herbstzeiten kümmerten sich Waltraud und Helmut darum, dass bis zu 12.000 Besteckmesser der Tiroler Hotellerie und Gastronomie ihren Schliff bekamen. Der feinste Tafelspitz schneidet sich schließlich zäh, wenn das Messer stumpf ist. Diese Peinlichkeit und die teure Angelegenheit zu umgehen, ganze Besteckserien austauschen zu müssen, waren Gastronomiebetriebe heilfroh um die Riefs. Weil die Handelskette Spar ihre Arbeit so schätzte, schliffen sie auch regelmäßig in Südtirol, wo dann rundum der Markt blühte.

Ja, rundum Tirol blühte der und weit darüber hinaus. „Wir haben Fanclubs in Belgien, Kanada und Südamerika. In Neuseeland waren wir in der Zeitung und in Australien auch“, erzählt Helmut. Selbst norwegische Fischerflotten schickten ihre Messer nach Tirol. Der scharfe Ruf der Riefs geht um die ganze Welt. „Das Messer ist eines von acht Artikeln, die es auf der ganzen Welt gibt. Ohne sie könnte man nicht leben. Schon Ötzi hatte einen Stein, der bearbeitet worden ist. So betrachtet sind wir Schleifer älter als das älteste Gewerbe“, sagt Helmut.
Stets schwingt genau das im Gespräch mit den Riefs mit – ein herrlicher Humor und ein umfangreiches Fachwissen. Der eine steckt ihnen offenkundig im Blut, das andere haben sie sich über die vielen Schleif-Jahre angeeignet. Und noch immer können sie nicht genug davon bekommen.

Waltraud (70) und Helmut (74) schleifen zwar nach wie vor, doch sind sie in Pension. Die professionellen Schleifgeräte, mit denen sie so viele Jahre durch Tirol getourt sind, stehen nicht mehr auf dem Lkw sondern in der Werkstatt in Hattingberg. Und diese Werkstatt bildet nicht nur den Mittelpunkt der beliebten Schleifkurse, in denen sie das Basiswissen des Messerschleifens weitergeben. Die Werkstatt bildet auch das moderne Ende einer eindrucksvollen Zeitreise. „Als Pensionsbeschäftigung haben wir ein kleines Museum eingerichtet“, sagt Helmut. Die Detailverliebtheit, mit der sie die große Geschichte des Schleifens und all der Gewerbe und Professionen, die direkt damit zu tun hatten, nachgebaut und wiederbelebt haben, macht einen Kurz-Besuch in diesem Museum unmöglich. Waltraud: „Wenn sich jemand dafür interessiert, haben wir eine große Freude.“ Die Freude ist groß und sie ist ansteckend.

Weitere Informationen: www.rief-dieschleiferei.at