Gewerbe & Handwerk

„Digitalisierung und Handwerk passen bestens zusammen“

Lesezeit 4 Minuten
Digitalisierung bei Glasereibetrieb
Digitalisierung bei Glasereibetrieb
In vielen handwerklichen Berufen kommt bereits modernste Technik zum Einsatz. Wenn das volle Potenzial der Digitalisierung ausgeschöpft werden kann, spart das überall Zeit und Kosten.
© Christian Vorhofer

WK-Vizepräsident Anton Rieder ist Bauexperte und forciert die Digitalisierung im Gewerbe und Handwerk. Neue technische Möglichkeiten führen zu mehr Effizienz und damit zu Einsparungen bei den Kosten.

INTERVIEW

Tiroler Wirtschaft: Sie setzen sich intensiv dafür ein, dass Baueinreichungen in Zukunft digital werden. Warum ist Ihnen das ein so großes Anliegen?

WK-Vizepräsident Anton Rieder: Weil davon alle Seiten profitieren. Die Digitalisierung bringt für sämtliche Beteiligten zeitliche und finanzielle Einsparungen und führt zu einer deutlichen Effizienzsteigerung. Derzeit erfolgt die Planung ja bereits digital und muss noch per Papier eingereicht werden. Das ist ein unnötiger Umweg, der Kosten produziert. In Zukunft übermitteln Bauwerber vorhandene Daten digital an die Behörde, die dann auch innerhalb der Behörde digital weitergegeben und verarbeitet werden. Je früher wir diesen Schritt in die Realität umsetzen, desto besser.

Können Sie Beispiele nennen, was sich mit digitalen Bauverfahren ändern würde?

Es eröffnet sich beispielsweise die Möglichkeit, Transparenzpunkte zu setzen. Damit kennt der Bauwerber immer den aktuellen Stand des Projektes und weiß, welche Behörden sich gerade damit befassen. Zudem kann die Prüfung seitens Behörde teilautomatisch erfolgen. Eine Digitalisierung ermöglicht auch ortsunabhängige Verhandlungen und sogar Bauverhandlungen per Videokonferenz. Auch müssten Nachbarn nicht mehr für die Einsichtnahme der Pläne zum Gemeindeamt gehen, sondern könnten die Unterlagen online abrufen. Digital lässt sich eine deutliche Beschleunigung erreichen, wie das Beispiel Südtirol zeigt: Die Behörde hat dort 14 Tage Zeit, um den Bauwerbern mitzuteilen, ob alle Unterlagen da sind. Bis zum Baubescheid gilt eine weitere, sehr ambitionierte Frist von 90 Tagen. Tirol könnte bei der Digitalisierung eine bundesweite Vorreiterrolle übernehmen.

Ist die Digitalisierung im Gewerbe und Handwerk auch über die Verfahren hinaus ein Thema?

Ja, und zwar quer über alle Branchen. Wir erleben gerade große Veränderungen und müssen unsere Ausbildungsmethoden, Standards und Regelwerke an die aktuellen Herausforderungen anpassen. Die Umstellung bringt auch für die Kundinnen und Kunden handfeste Vorteile. So sind beispielsweise mit digitalen Gebäudemodellen realitätsnahe Visualisierungen möglich, was viele Entscheidungen leichter macht. Wir müssen die Digitalisierung auf breiter Basis schaffen, damit unsere Betriebe auch in Zukunft wettbewerbsfähig bleiben. Das Zusammenführen der digitalen und handwerklichen Welt, von Tradition und Moderne, ist mehr als ein Schlagwort. Digitalisierung und Handwerk passen bestens zusammen.

Anton Rieder, WK-Vizepräsident und Landesinnungsmeister Bau
Anton Rieder

Wie sehen Sie die Entwicklung der Aus- und Weiterbildung im Gewerbe und Handwerk?

Auch hier werden digitale Methoden, wie E-Learning-Plattformen, in Zukunft eine größere Rolle spielen. Man kann moderne Möglichkeiten mit dem, was Handwerk ausmacht, vereinen und somit beide Welten verknüpfen. Derzeit geht es bei der Digitalisierung vor allem um administrative Aspekte, auf lange Sicht wird davon auch die Produktion erfasst sein, es wird beispielsweise für bestimmte Aufgabenbereiche Roboter auf Baustellen geben. Für junge Fachkräfte macht diese Erweiterung der Qualifikation ihren Tätigkeitsbereich noch spannender. Zudem bietet das Gewerbe gute Karrieremöglichkeiten, im Bau kann man mit entsprechendem Engagement und Lernbereitschaft vom Hilfspersonal bis zur Bauleitung aufsteigen.

Was macht den Betrieben im Gewerbe und Handwerk derzeit am meisten zu schaffen?

Neben dem Fachkräftemangel haben die Unternehmen mit Lieferengpässen und sprunghaft steigenden Preisen zu kämpfen. Es ist oft unumgänglich, mit dem Bauherrn neue Preise auszumachen, um kostendeckend wirtschaften zu können. Die Ursache für die Preissteigerungen liegen meist bei der Baustoffindustrie oder bei Energielieferanten, gewerbliche Baubetriebe sind hier nur die Überbringer der schlechten Nachricht. Diese neuen Verhandlungen sind für alle Seiten mühsam, aber mit einer guten Gesprächsbasis lässt sich immer ein tragfähiger Kompromiss finden.

Was kann die Politik dazu beitragen, um die Situation zu entspannen?

Land und Gemeinden können ein Gegengewicht zu den derzeitigen Bremsen darstellen. Steigende Preise, teure Energie, verschärfte Kreditbedingungen, das sind alles Bremsklötze für Bauherren und Betriebe. Die Politik kann einen Beitrag zur Entspannung leisten, indem sie den Wildwuchs an Auflagen und Bürokratie durchforstet und hier wieder mehr Augenmaß einkehrt. Derzeit ist die Lage so instabil, dass wochenlange Verzögerungen durch langsame Verfahren wieder neue Probleme auslösen. Wenn ein Projekt bewilligungsfähig ist, sollte die Behörde dieses daher möglichst schnell genehmigen.

Mehr zum Thema: Aus- und Weiterbildung für die digitale Arbeitswelt