Digitales Lernen: Qualität vor Quantität

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Corona hat E-Learning salonfähig gemacht. Digitales Lerndesign erfordert spezielle Rahmenbedingungen und neue Kompetenzen,
um seine volle Wirkung zu entfalten.

Digitales Lernen ist seit Corona von einem Randprogramm in den Fokus gerückt. Zahlreiche Bildungsanbieter drängen mit ihren Angeboten auf den Markt. Digitales Lernen ist für viele Betriebe und deren Personal selbstverständlich geworden. Der Trend ist klar ersichtlich, wie auch eine Umfrage von Linkedin-Learning belegt: Demnach gehen 60 Prozent der Personalentwicklungs-Verantwortlichen aus aller Welt davon aus, zukünftig stärker in E-Learning zu investieren, 66 Prozent wollen mehr Geld für virtuelle Live-Schulungen wie Webinare ausgeben. Gleichzeitig geben 61 Prozent der Befragten an, dass die Budgets für Präsenzschulungen schrumpfen werden.

„Damit ist die Transformation in Gang gekommen – abgeschlossen ist sie noch längst nicht“, betont der Leiter des Bildungsconsultings, Wolfgang Sparer. Jetzt geht es vor allem darum, die nötige Qualität zu sichern. Viele Anbieter haben ihre Angebote einfach von Präsenz in den virtuellen Raum verlegt. „Doch so funktioniert das nicht“, erklärt Wolfgang Sparer, „digitales Lernen folgt eigenen Regeln, die beachtet werden müssen. Speziell die Königsdisziplin des hybriden Lernens lässt sich nicht mit Methoden aus der analogen Welt umsetzen.“

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Wolfgang Sparer

Digitales Lernen

Für digitales Lernen gelten dieselben Grundregeln  wie für die moderne Arbeitswelt insgesamt. Das neue Arbeiten ist dual – es ist im Präsenzmodus genauso zu Hause wie in der digitalen Welt. Wesentlich ist die Zuordnung, welche Aufgaben sich in welchem Modus besser erledigen lassen. Das Fachmagazin ManagerSeminare bringt mit der 4K-Formel auf den Punkt, welche Teile des Arbeitens und damit auch des Lernens in Präsenz besser funktionieren. Das erste K steht für Kommunikation. Ein bestimmtes Maß an persönlichen Zusammentreffen ist sowohl im Job als auch bei längeren Lernstrecken unersetzbar. Das zweite K bezieht sich auf Komplexität. Damit ist gemeint, dass sich vielschichtige und schwer fassbare Aufgaben besser in einer realen Meeting–Situation besprechen lassen als in einer virtuellen. K Nummer 3 bedeutet, dass alle Teamprozesse, die mit Kreativität zu tun haben, durch Präsenz gewinnen.

Das gemeinsame Brainstorming und das Austesten von Ideen lassen sich am besten bei realen Zusammenkünften erarbeiten. Und das vierte K steht für Kultur – also das bewusste Fördern des Team Spirits, was sich über digitale Kanäle alleine nicht erreichen lässt. Im Grunde sind diese vier Kriterien auch bei der Entwicklung von Lernangeboten dafür entscheidend, ob der Unterricht in Präsenz vor Ort, als hybride Lernstrecke oder ausschließlich digitaler Form vermittelt wird. Anders gesprochen: Digitales Lernen ist dann effektiv, wenn es für die passenden Inhalte eingesetzt wird und auch das Lerndesign darauf ausgerichtet ist. Das Bildungsconsulting der WK Tirol hat sich näher angesehen, welche Prinzipien beim digitalen Lernen beachtet werden müssen, wie hybrides Lernen professionell betrieben werden kann und welche Rolle in diesem Zusammenhang das Talentemanagement spielt.

Prinzipien des digitalen Lernens

Zu allererst muss bei der Erstellung von Lerninhalten umgedacht werden. Der Content muss auf jeden Fall auch in einer digitalen Form vorhanden sein, um diesen jederzeit auch für digitales Lernen einsetzen zu können. Es ist leichter, wenn dieses Prinzip von Anfang an mitgedacht wird als im Nachhinein umständlich rein analoge Inhalte zu digitalisieren.

Digitales und damit selbstbestimmtes Lernen setzt hohe Eigenmotivation voraus. Diese ist nicht bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern von vornherein automatisch gegeben. Daher muss dieses Kriterium beim digitalen Lernen mitberücksichtigt und gefördert werden. Dazu gehört auch, dass digitales Lernen eine ganz reale Anerkennung braucht. „Es ist durchaus möglich, eine Lernstrecke auf einer digitalen Plattform zu absolvieren“, erklärt Wolfgang Sparer, „selbst die Prüfung kann digital abgewickelt werden. Unsere Erfahrungen haben aber gezeigt, dass es das Bedürfnis gibt, nach der Prüfung ein reales Zeugnis überreicht zu bekommen. Dadurch erhält es erst die Bedeutung, welche die Absolventinnen und Absolventen diesem Dokument beimessen.“

Live Online Kurse

Je komplexer die Inhalte sind, desto eher braucht es einen persönlichen Bezug. Dieser ist nicht allein dadurch erreichbar, dass Lernmaterialien on demand abrufbar sind. Dieser Bezug lässt sich nicht nur in Präsenz erreichen, sondern funktioniert auch über Live Online Kurse. Das bedeutet, dass der Kurs in Echtzeit digital abgehalten wird und die Trainer die Möglichkeit haben, zu interagieren und damit zu führen. So kann auf die individuellen Bedürfnisse der einzelnen Teilnehmer:innen eingegangen werden. Das setzt selbstverständlich eine spezielle Schulung der Trainerinnen und Trainer voraus. „Es ist nicht dasselbe, Kurse in Präsenz oder Kurse auf digitaler Basis abzuhalten und braucht definitiv zusätzliche pädagogische und technische Kompetenzen“, betont Sparer.

Abschließend wird von vielen Kursanbietern die Thematik des Datenschutzes noch nicht ernst genug genommen. Vor Kursbeginn müssen zentrale Fragen beantwortet werden. Wo liegen die Daten? Wer hat den Zugriff darauf? Wie werden einlangende Interaktionen verwaltet und abgespeichert? „Dazu braucht es ein professionelles Datenschutzkonzept. Die Verantwortung für den Datenschutz trägt letztlich das anwendende Unternehmen, nicht der Anbieter“, weist Wolfgang Sparer hin.