Die Osttiroler Schlipfkrapfen-Manufaktur
Ein kulinarisches Kulturgut: Lydia Nöckler hat mit „Gaumenschmaus Defereggental“ die Lieblingsspeise vieler Osttirolerinnen und Osttiroler weit über die Bezirksgrenzen hinaus bekannt gemacht.
Ursprünglich ging es Lydia Nöckler nur um eine mit der Betreuung ihrer Kinder zu vereinbarende Verdienstmöglichkeit, als sie vor 11 Jahren das Lebensmittelerzeugergewerbe anmeldete und in ihrer Küche im Bergdorf St. Veit in Defereggen mit der Herstellung von Schlipfkrapfen begann. „Kochen und Backen – diese Leidenschaft habe ich schon von Kindheit an. Gelegenheit dazu hatte ich als Älteste von 7 Kindern genug“, erzählt die Unternehmerin. „Als auch in der gehobenen Gastronomie eine Rückbesinnung auf die längere Zeit vernachlässigte, regional geprägte, aber relativ aufwändig zuzubereitende Hausmannskost stattfand, sah ich die Chance, mich mit der Erzeugung hausgemachter Schlipfkrapfen und einer Schlipfkrapfenmanufaktur selbstständig zu machen.
Regionale Kreisläufe
„Meine ersten Kunden waren die Gastbetriebe der näheren Umgebung. Bald kam auch das ADEG-Geschäft in der Nachbargemeinde Hopfgarten dazu – seither kaufe ich auch das benötigte Mehl und diverse Zutaten dort ein, da mir regionale Kreisläufe ein echtes Anliegen sind. Dies hat sich dann, als mein Betrieb gewachsen ist und auch das Sortiment ständig erweitert wurde, fortgesetzt. So erzeugt etwa der auf Bio-Schafheumilch spezialisierte Kollnighof in Obernussdorf bei Lienz auf unsere Anregung hin einen Schafmilch-Topfen, der sich hervorragend als Schlipfkrapfen-Fülle eignet. Ähnliches gilt auch für eine ‚fischige‘ Schlipfkrapfenvariation, für die wir geräucherten Saibling aus einer Deferegger Fischzucht beziehen. Von der Sillianer Schokoladenmanufaktur Pichler bekommen wir die Nougatfülle für süße Knödelspezialitäten, die Äpfel für unsere Apfelknödel kommen aus Gaimberg bei Lienz“.
Stete Entwicklungsschritte
Einen ersten Entwicklungssprung des ursprünglichen „Ein-Frau-Unternehmens“ ermöglichte das Zusammentreffen mit dem Wiener Edwin Baroian, der über seine aus St. Veit stammende Freundin die Osttiroler Kulinarik schätzen lernte, wobei es ihm vor allem die Schlipfkrapfen angetan hatten. In der Überzeugung, dafür in der Bundeshauptstadt genügend Abnehmer zu finden, gründete er 2013 das Unternehmen „Schlipf & Co“. Seither verlassen Monat für Monat an die 10.000 Schlipfkrapfen Lydia Nöcklers Unternehmen per Tiefkühl-Lkw Richtung Wien.
„Für diese Mengen reichte der Platz im Wohnhaus nicht mehr. Daher habe ich in einem Anbau eine professionelle, allen Hygiene-Erfordernissen entsprechende Betriebsküche eingerichtet. Eine Freundin, die mir anfangs sporadisch geholfen hatte, wurde als erste feste Mitarbeiterin eingestellt – weitere folgten, da die Nachfrage ständig stieg und inzwischen mehrere inhabergeführte Lebensmittelgeschäfte, Bauernläden und zahlreiche Gastronomiebetriebe, aber auch Privatpersonen zu unseren ständigen Kunden zählen.
„Dass der Betrieb einmal solche Dimensionen erreichen würde, hätte ich nie für möglich gehalten.“
„Mittlerweile sind wir 7 Frauen, die von Montag bis Freitag täglich hunderte Schlipfkrapfen und auch ein breites Knödelsortiment bei uns in der Schlipfkrapfenmanufaktur herstellen; im Sommer unterstützen uns noch Ferialkräfte als Urlaubsvertretungen. Dass der Betrieb einmal solche Dimension erreichen würde, hätte ich nie für möglich gehalten“, so die Unternehmerin, die ihr Tagwerk bereits um 4:30 Uhr beginnt. „Ich bereite alles vor, damit dann mein Team ab 8:30 mit dem ‚Pitschen‘ – so nennt man das Schließen der befüllten Teigtaschen mit Daumen und Zeigefinger – beginnen kann“, so Nöckler.
„Bis 12:30 werden ausschließlich Schlipfkrapfen hergestellt; an zwei bis drei Nachmittagen pro Woche sind dann die Knödel-Variationen dran. Die einzige technische Produktionshilfe ist eine Teigausrollmaschine – sonst wird alles in Handarbeit gemacht. Zum Tiefgefrieren haben wir einen Schockfroster; die Lagerkapazitäten wurden durch eine kürzlich errichtete Tiefkühlzelle erweitert. Jeweils am Donnerstag beliefere ich persönlich den ganzen Tag lang unsere Kunden. Ich bin selbst Mutter von 5 Kindern und Oma von 6 Enkelkindern und kenne daher die Bedürfnisse der jungen Frauen, welche die Arbeit bei mir und ihre familiären Pflichten unter einen Hut bringen müssen und natürlich auch ausreichend Freizeit benötigen. Es ist mir ein echtes Anliegen, dass sie sich wohlfühlen und dass eine gute Stimmung im Team herrscht. Schließlich arbeiten wir über Stunden an einem großen Tisch zusammen – da zählen Harmonie und eingespielte Abläufe“, erklärt die Firmenchefin.


Neue Kreationen
„Meine Mitarbeiterinnen sind alle versierte Köchinnen und bringen sich bei der gemeinsamen Arbeit mit Ideen für neue Kreationen ein. So probieren wir vieles aus und erweitern ständig unser Produktsortiment, wobei die saisonale Verfügbarkeit der Zutaten wesentlich ist. Eierschwammerl-Krapfen gibt es eben nur, wenn die Schwammerln bei uns im Tal wachsen. Das gilt auch für die Kürbisfüllungen, die wir nur im Herbst verwenden, solange wir Kürbisse aus Osttirol erhalten. Momentan warten wir auf Marillen aus der Wachau für die Marillenknödel, dann produzieren wir eine kurze Zeit Zwetschkenknödel aus den berühmten Stanzer Zwetschken. Regionalität, Frische und höchste Qualität – das sind unsere Ansprüche, aber auch dauerhafte und vertrauensvolle Kunden- und Lieferantenbeziehungen. Dazu zählt, dass wir die Preissprünge, die man aktuell erlebt und von denen wir auch selbst betroffen sind, nicht mitmachen.“
Für Lydia Nöcklers Unternehmen, das unter „Gaumenschmaus Defereggental“ firmiert, spielen die aktuellen Ernährungstrends eine wichtige Rolle. „In Wien überwiegt schon seit längerer Zeit die Nachfrage nach den veganen Varianten unserer Schlipfkrapfen. Insgesamt hat während der Pandemie-Jahre das Bewusstsein für gesunde Lebensmittel und deren regionale Herkunft stark zugenommen – gut für uns, da dies genau der Mission entspricht, für die wir seit jeher stehen. Wir achten auf höchste Qualität und kurze Transportwege – so stammen etwa alle zu verarbeitenden Eier vom Biohof Stemberger aus unserer Gemeinde – verarbeiten zunehmend Weizen-Vollkorn- und Dinkelmehl und für die Saiblings-Schlipfkrapfen auch etwas Heiden- also Buchweizenmehl“ .
Auch auf Social Media vertreten
Wenngleich die engagierte Unternehmerin überzeugt ist: „Schlipfkrapfen werben für sich selbst,“ freut sie sich doch über die vielen positiven Rückmeldungen auf dem vor 2 Jahren eingerichteten und von der Tochter Laura betreuten Instagram-Account. Eine eigene Homepage gibt es überhaupt erst seit dem Vorjahr – sozusagen ein Geschenk zum 10-jährigen Betriebsjubiläum. Lydia Nöckler gibt ihr unvergleichliches Wissen über die Schlipfkrapfen-Zubereitung auch gerne weiter. „Besonders viel Freude machen mir Workshops mit Kindern, die mit Begeisterung bei der Sache sind und so auch ein Bewusstsein für den Wert von Lebensmitteln und gesunde Ernährung entwickeln“.
Weitere Infos: www.gaumenschmaus-defereggental.at