

Welcome Service Tirol: Für den letzten Kick
Mit gebündelter Kraft haben Land Tirol, Industriellenvereinigung, Hochschulkonferenz und Tiroler Wirtschaftskammer das „Welcome Service Tirol“ ins Leben gerufen. Heimische KMU mit internationalen Fachkräften „an der Angel“ werden damit entscheidend unterstützt.
Ein neuer Lebensmittelpunkt ist eine große Entscheidung. Eine richtig große. Neuer Job, neue Umgebung, neue Menschen, neue Dynamiken, gegebenenfalls neue Sprache und jedenfalls neue Kultur. Die Herausforderungen, die eine Versetzung des Lebensmittelpunktes mit sich bringen, sind so umfangreich wie komplex und ist davon eine ganze Familie betroffen, werden die Waagschalen, in denen die Pros und Contras für oder gegen den Umzug abgewogen werden, recht bunt.
Der Job hat Gewicht, doch allein entscheidend ist er nicht. Eine groß angelegte Umfrage von ZEIT online hatte im Frühjahr 2019 ergeben, dass die Atmosphäre am Arbeitsplatz von 84 Prozent der dafür befragten Deutschen als wichtigster Aspekt eingestuft wird, was diese Art des Wohlfühlens zum Erfolgsfaktor Nummer 1 eines Unternehmens macht. Es ist entscheidend für die Arbeitsmotivation, die Neigung zu einem Arbeitsplatzwechsel oder die Wahl eines neuen Arbeitgebers bzw. Arbeitsplatzes.
Es mag wissenschaftlich nicht wirklich koscher sein, dieses Umfrageergebnis auf Größeres umzulegen, doch der Hausverstand unterstützt die Annahme, dass die atmosphärische Kraft auch für den „Arbeitsplatz Tirol“ entscheidend sein kann, wo bekanntermaßen ein Mangel an Fachpersonal herrscht (siehe Interview mit LR Patrizia Zoller-Frischauf).
„Wenn eine internationale Fachkraft weiß, dass sie dort gut aufgehoben ist und sich nicht um alles selber kümmern muss, kann das für sie der entscheidende Auslöser dafür sein, sich für Tirol zu entscheiden“, ist Marcus Hofer überzeugt. Hofer ist Geschäftsführer der Standortagentur Tirol, wo seit Anfang September 2019 ein neues Service für die heimischen KMU angeboten wird. „Welcome Service Tirol“ heißt es und es bietet zahlreiche individuelle Antworten auf eine große Frage, die viele Tiroler Unternehmen beschäftigt: Wie schaffe ich es, internationale Fachkräfte von einem Umzug nach Tirol zu überzeugen und an mein Unternehmen zu binden?
Bündelung der Kräfte
Um dieser Herausforderung zu begegnen, kümmern sich in großen Unternehmen die Recruiting-Abteilungen darum oder es werden externe, so genannte Relocation-Services damit beauftragt, den potenziellen neuen Mitarbeitern und ihren Familien ein rundum „warmes Willkommen“ zu bereiten. Kleine und mittlere Unternehmen verfügen oft nicht über die nötigen Ressourcen, einem umworbenen Mitarbeiter derart umfassend unter die Arme zu greifen und in diesem Vakuum entstand der entscheidende Funke dafür, es zu füllen.
„Die Industriellenvereinigung ist vor einiger Zeit mit dem Vorschlag zu mir gekommen und es war klar, dass eine derartige Initiative breit getragen werden müsse, damit man das auch sieht. Wir haben es dann besprochen und Wirtschaftskammer-Präsident Walser war sofort Feuer und Flamme – vor dem Hintergrund der Erkenntnisse und Zahlen, die uns die Unternehmer laufend zutragen. Dann haben wir gesehen, dass die Universitäten einen solchen Ansatz bereits haben. Wir haben ein bisschen von den Hochschulen abgekupfert und versuchen nun alle zusammen, diese Fachkräfte im Ausland anzusprechen“, so Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf, die zudem festhält: „Ziel der Initiative ist es, die Tiroler Unternehmen und Hochschulen dabei zu unterstützen, neu angeworbene Fachkräfte bestmöglich im Lebensraum Tirol zu integrieren.“
"Neben der Hilfe bei rechtlichen Fragen, ist es außerdem wichtig Anschluss zu finden."
Marcus Hofer
Die Bündelung der Kräfte zeigt sich nicht nur darin, dass das Projekt von den vier Kooperationspartnern Land Tirol, Wirtschaftskammer Tirol, Industriellenvereinigung Tirol und Tiroler Hochschulkonferenz (THK) gemeinsam finanziert wird. Bis 31. August 2022 wird das Welcome Service Tirol mit 360.000 Euro gefördert, wobei das Land die Hälfte der Kosten übernimmt und die restlichen 180.000 Euro von den drei weiteren Projektpartnern getragen werden. Auch bereits gesammeltes Know-how und bestehende Services bei den Kooperationspartnern selbst und in kleineren Initiativen „am Land“ werden genutzt beziehungsweise in das gebündelte Angebot integriert.
„Wir arbeiten im Netzwerk mit den Partnern. Wenn es beispielsweise um Qualifizierungs- oder Schulfragen der Kinder geht, ist das Bildungsconsulting der Wirtschaftskammer der erste Ansprechpartner“, erklärt Standortagentur-Geschäftsführer Hofer, dessen für das Welcome Service Tirol zuständige Team seit Anfang September in den Steigbügeln steht, um rechtliche, praktische, alltägliche und menschliche Hürden für Tiroler Fachkräfte in spe zu nehmen: „Unsere Partner auf dieser Seite sind die Tiroler Unternehmen, die entweder in der Rekrutierungsphase sind oder schon konkret eine ausländische Fachkraft an der Angel haben.“
Exzellente Integration
In dieser spannenden Phase wollen Wohnungssuche, Behörden- oder Arztgänge erledigt, Schulangebot, Kinderbetreuung oder Spracherwerb abgeklärt und ein erstes Kennenlernen der Umgebung, Kultur oder Natur genossen werden. In einigen Punkten, die es vor einem großen Umzug abzuhaken gilt, steckt durchaus ein gewisses Frus-trationspotenzial – dann jedenfalls, wenn die Hürden allein genommen werden müssen. Mit dem Welcome Service Tirol soll ebendieses Potenzial eliminiert und ins Gegenteil verwandelt werden. Für qualifizierte Fachkräfte, die überall auf der Welt arbeiten könnten, kann das der letzte Kick sein.
„Sind es Nicht-EU-Bürger wird ihnen dabei geholfen, die Rot-Weiß-Rot-Karte zu beantragen. Entscheidend ist auch Dual-Career-Service, das Partner und Partnerinnen beim eigenen beruflichen Neuanfang in Tirol unterstützt. Neben der Hilfe bei individuellen rechtlichen oder administrativen Fragen ist es zudem wichtig, sie in Tirol einzubetten, und ihnen dabei zu helfen, Anschluss zu finden, eine Community“, weiß Hofer um den Wert des Menschlichen, den Wert einer guten Atmosphäre am „Arbeitsplatz Tirol.“ Dem wird mit dem Welcome Service Tirol Rechnung getragen. Damit die große Entscheidung, Tirol zum neuen Lebensmittelpunkt zu machen, richtig leicht fällt.
Die Tiroler Wirtschaftslandesrätin Patrizia Zoller-Frischauf unterstreicht im Interview mit der Tiroler Wirtschaft die Notwendigkeit des starken gemeinsamen Auftritts und betont, dass sich besonders KMU durch das Welcome Service Tirol angesprochen fühlen sollen.
INTERVIEW
TW: Welche Entwicklungen und Zahlen sind Basis für die Gründung des Welcome Service Tirol?
Patrizia Zoller-Frischauf: Die größte Herausforderung ist, dass zur Zeit in etwa 4.000 Fachkräfte fehlen und diese Zahl wird sich in Zukunft noch weiter erhöhen. Der Fachkräftemonitor sagt uns, dass bis zum Jahr 2030 an die 10.000 Fachkräfte fehlen werden. Die demografische Entwicklung in Tirol ist hier besonders stark ausgeprägt. Wenn wir uns das durchschnittliche Alter einer Fachkraft anschauen, dann liegt das zur Zeit bei 39,4 Jahren. Es wird sich auf 44 Jahre erhöhen.
Welche Lösungsansätze werden in dem Zusammenhang verfolgt?
Wir haben das Problem natürlich schon vor einiger Zeit erkannt und wir arbeiten sehr stark an dessen Lösung. Man muss hier an verschiedenen Schrauben drehen. Wie sie wissen, machen wir schon seit Jahren, man kann sogar sagen Jahrzehnten, Werbung für die Lehre, das duale Ausbildungssystem. Im Ausland ist es viel bewusster, was das für ein Schatz ist, wie im Inland. Jeder hat da in seinem Bereich viel getan, doch seit wir uns zur Fachkräfteplattform zusammengeschlossen haben, nimmt man uns in der Öffentlichkeit viel stärker wahr. Gemeinsam hat man eine ganz andere Kraft. Mir ist die Botschaft ganz wichtig, dass wir alles tun, um heimische Fachkräfte zu bekommen. Das hat für uns absolute Priorität. Aber das alleine wird nicht reichen, wir brauchen einen gewissen Zuzug an qualifizierten Fachkräften und internationale Spitzenleute aus dem Ausland. Der Wettbewerb der besten Köpfe hat hier längst begonnen.
Darum das Welcome Service Tirol?
Ja, darum dieses Welcome Service Tirol, wo wir wieder die Kräfte bündeln, um solche Leute anzusprechen. Wichtig ist für mich, dass sich nicht nur große Unternehmen angesprochen fühlen, zu melden, wenn ihnen Fachkräfte fehlen, sondern besonders kleine und mittlere Unternehmen, die selber nicht in der Lage wären, im Ausland nach Fachkräften zu suchen.
» Weitere Infos: www.standort-tirol.at